Der Wurm und die Schwerelosigkeit

Krzach erwacht! Es ist das erstemal, daß er in diesem Leben erwacht. Krzach erinnert sich an sein letztes Leben, an Autsch, die große rote Sonne, an Uuuwupsch die Sumpfwelt, an Zirrrdipp, die ihn verschlungen hat, an ihren spitzen Schnabel, ihren endlos langen Hals und den ätzenden, stechend riechenden Magen.

Krzach mußte sich fressen lassen, um sich auf diese Reise vorzubreiten. Nachdem ihn Zirrrdipp verdaut hatte, wurden seine chemisch, biologischen Überreste - insgesamt weniger als ein zehntel Gramm - in eine Raumkapsel, kleiner als eine Stecknadelspitze verpackt. Das größte Problem bestand darin, Krzachs Aura an diese Stecknadelspitze zu binden.

Die Stecknadelspitze wurde in einer Bleistiftmiene verpackt. Die Bleistiftmiene würde die Stecknadelspitze beim Wiedereintritt in eine Planetenatmosphäre vor dem Verglühen bewahren. Das Holz um die Bleistiftmiene würde Krzach vom Sonnensystem Autsch, bis zum nächsten bewohnbaren Sonnensystem bringen. Das ganze wurde in ein fußballgroßes Trägerraumschiff gepackt und durch eine Atomexplosion in die Umlaufbahn um Uuuwupsch geschossen.

Als Krzach erwacht ist die ganze Reise schon zu Ende. Krzach hätte keine Chance gehabt, die radiokative Strahlung beim Start zu überleben, oder die 30 Millionen Jahre Raumflug. Auch die Hitze beim Eintritt in die Erdatmosphäre, oder den heftigen Schlag, als die Stecknadelspitze sich in ein Salatblatt bohrte, hätte kein Lebewesen überstanden.

Die überlegene Technologie der Uuuwupschianer hat es möglich gemacht: Krzach ist planmäßig auf dem einzigen bewohnbaren Planeten, einer gelben Sonne, im gemäßigten Klimabereich, auf einer eßbaren Planze, genau im Photosynthesebereich, angekommen.

Krzach macht sich an seine Arbeit: Er frißt und wächst.

Krzach fühlt sich wie zuhause. Während er frißt und wächst, kommt eine Maschiene und erntet den Salatkopf. Krzach wird zusammen mit seinem nährenden Behältnis, nach mehrmahligem Umsteigen auf verschiedene Verkehrsmittel, in eine Markthalle transportiert. Krzach erkennt sofort die künstliche Beleuchtung und errechnet daraus die Netzfrequenz - 50 Hertz. Zuhause sind es 1750 Hertz. Die intelligenten Bewohner dieses Planeten müssen also 35 mal so groß sein wie Krzach.

35 mal 5 Zentimeter: 1 Meter und 75. Fast zwei Meter! Das kann unmöglich sein! Ein Wurm mit zwei Metern Länge und 11 Zentimeter dick! Die sind unmöglich lebensfähig. Wie soll den ein Vogel aussehen, der einen zwei Meter langen Wurm frißt?

Während Krzach über die unmögliche Biologie des Planeten Erde nachdenkt, ohne seine Plicht zu vergessen: Fressen und Wachsen, wird der Salatkopf mit Hunderten seiner Artgenossen, über ein Förderband, in ein Flugzeug gerollt, 45 Meter lang, 55 Meter Flügelspannweite. Übertragen auf Krzachs Welt wäre dies ein Albatros. Zirrrdipp war zwar nur eine Amsel, aber es gab auf Krzachs Welt auch Albatrosse.

Angenehm ist, daß das Flugzeug keinen spitzen Schnabel hat, keinen glitschigen Hals und keine Magensäure. Die intelligenten Lebewesen auf dem Planeten Erde müssen Krzachs Zivilisation gewaltig vorraus sein - kein Wunder - bei 2 Meter Wirbelsäulenlänge müssen diese Lebewesen wahre Intelligenzbestien sein. Kein Wunder, daß, sie sich nie über so ein primitives Mittel wie Radiowellen gemeldet haben. Hier gibt es sicher intelligentere Kommunikationformen als Radio und Fernsehen.

Im EDEKA kauft Karin einen Salatkopf. Er ist schön grün, frisch und noch triefend nass. Krzach ist hocherfreut endlich eine der hochintelligenten Lebensformen der Erde kennenzulernen. Leider hat er keine Ahnung, wie er mit Karin kommunizieren soll.

Karin muß gemerkt haben, daß dieser Salatkopf was Besonderes ist. Die telepathische Ausstrahlung Krzachs war nur für eine ganz besondere Frau, eben Karin spürbar.

Peter ist Karins Mann. Peter arbeitet gerade an seinem Computer. Er schreibt an einem Roman. An einem Zukunftsroman: "Der Blitz legt Eier". über intelligente Dinosaurier, mit Raumschiffen und so...

Krzach merkt sofort, die Ausstrahlung des Computers. Er hat es also geschafft! Die Intelligenten Bewohner, vom Planeten Erde haben ihn erkannt und in ein Forschungszentrum gebracht. Gleich werden sie versuchen, sich mit ihm zu verständigen.

Als Karin den Salat wäscht, verliert Krzach den Halt. Die Wassermassen spühlen ihn auf den Grund einer Schüssel. Krzach merkt sofort die Materialbeschaffenheit der Schüssel und die hervorragende Qualität des Wassers. Ob man ihn für einen Wasserbewohner hält? Wenn er nicht bald hier herauskommt muß er ertrinken!

Karin zeigt Peter ihren Fund. Peter fragt "Klo oder Garten?"

Krzach merkt an der Bewegung seines feuchten Behältnisses, daß eine Ortsveränderung im Gange ist. Er hofft daß die Erdbewohner erkannt haben, daß Wasser nicht sein Lebensraum ist.

Peter holt aus und mit Schung - schwebt der gesamte Inhalt der Salatschüssel: Wasser, Abfall und Krzach über den Garten.

Krzach spürt Schwerelosigkeit - wie im Weltraum! Ein neues Transportmittel?

Krzach ahnt, daß die massive Beschleunigung nur unter Wasser möglich war. Jetzt gelingt es ihm sich vom Wasser zu lösen - endlicher wieder an der Luft! Und dann sieht er Ugge, die Amsel.

Aha - die intelligenten Erdbewohner haben erkannt, daß Krzach in seiner jetzigen Inkarnation nicht vernünftig mit den Menschen kommunizieren kann. Er spürt einen spitzen Schnabel, einen langen, glitschigen Hals, es riecht stechend - und dann die Magensäure.